Sonntag, 12. Juni 2011

Der verlorene Tag

süchtig.

Er schlug die Augen auf. Plötzlich. Schlagartig.
Die Müdigkeit fesselte ihn an das Sofa, der Rausch lähmte seine Glieder und machte sie schwer.
Irgendwas trieb ihn hoch. Er setzte sich auf, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, streckte sich, atmete tief. Langsam, ganz langsam schob er ein Bein nach dem anderen vom grau mattierten Polster. Seine nackten Füße berührten das kalte Parkett.
Sicherer Stand.
Mühsam zwängte er sich zwischen dem Couchtisch und den geschundenen Körpern hindurch, vorbei an den gesplitterten Gläsern, über die halb leeren Flaschen hinweg, aus deren Hälsen sich langsam aber städig tröpfelnd kleine Pfützen ergossen. Er schlich ins Bad. Er beobachtete die Spiegelung seiner Hände in den glänzenden weißen Kacheln, während seine Finger sachte, beinahe vorsichtig, ihren Weg zum Wasserhahn suchten.
Die Kälte des klaren Wassers schien das Blut in seinen Adern gefrieren lassen zu wollen. Aber soweit würde er es nicht kommen lassen. Hastig fuhr er sich mit seinen kalten Fingern durchs Gesicht. Er betrachtete sich kurz im Spiegel.
Noch ein Blick zurück: Die ersten Sonnenstrahlen fiehlen durch das große Fenster in den Raum und warfen lange Schatten an die Wände. Alles schien sich überdeutlich abuzeichnen: Pizzastücke, Flaschen, Kronkorken,
die Scherben der gesplitterten Sektgläser. Und für einen Moment schien er es zu erkennen, zu begreifen: Dies alles war eine homogene Masse.
Und er ? Er gehörte hier nicht hin. Er nahm sein Shirt von der Gaderobenstange, schlang es um seine Hüfte. Der kalte Morgenwind atmete ihm durch die Glieder, als er leise die Tür öffnete und in den Tag schaute.
Bloß los. Er zog die Tür hinter sich zu.
Er ging los.
Wohin wohl?
Egal. Hier nicht. Los.
Sonst wäre es nur wieder ein verlorener Tag.

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